Es war die erste Alpinblau Tour in den Ligurischen Alpen und sie fand vom 28.8. – 2.9.2021 statt. Mit dabei waren Ajana, Anne, Astrid, Heinz, Juliane, Christiane, Marion, Monika, Petra und Stefan. Alpinblau Touren finden bei einer Mindestanzahl von 3 Teilnehmern statt.
Die Tour verläuft ganz im Piemont, trägt aber den Namen der südlich gelegenen Region Ligurien. Topereignisse gab es sicherlich viele. Schwierig ein Highlight auszumachen. Sicherlich stellt die Höhlentour in die ‚Grotte delle Vene‘ am vorletzten Tag eine Besonderheit dar, da man für gewöhnlich nicht in oder unter den Berg reinschaut. Die Besteigung der Cima Marguareis bei windigen Konditionen, die Erklimmung des Mongioie und der abenteuerliche Abstieg lassen gerne an diese Tage zurück denken. Die Ligurischen Alpen sind im deutschsprachigen Raum weiterhin noch eher unbekannt. Bisher haben sich nur abenteuerlustige Wanderer hierher getraut.
Highlights der Tour
- Cima del Marguareis 2651m
- Cima Mongioie 2631m
- Passo Salina 2440m
- Grotta delle Vene (Höhlentour)
Tag 1: Rifugio Don Barbera (2090m)

Wir treffen uns am Hauptbahnhof in Turin und fahren mit unserem privaten Transfer zum Colle di Tenda, an die Grenze zu Frankreich. Wir beginnen unsere Wanderung mit großer Euphorie. Die Weitblicke, die sich uns zeigen sind schlichtweg überwältigend. Wir schauen in das große Romanin Tal hinab und üben unsere Augen schon einmal an das Licht. Bald folgen wir einer aufsteigenden Route und erreichen schließlich eine Ebene, die einen Grenzpfeiler zeigt. Wie befinden uns in Frankreich. Kurze Zeit später erleben wir unser erstes Gipfelglück. Wir erreichen die Cima del Becco Rosso auf 2214m.

Unser erstes Etappenziel liegt aber noch in der Ferne und die Wetterbedingungen trüben unsere Aussichten. Der anfängliche Nebel drückt unsere Motivation außerdem. Wir meistern diese Situation und lassen uns nicht abbringen unseren Weg zu gehen mit Freude und Hochmut. Was bleibt uns anderes übrig in dieser zeitlosen Bergwelt, als selbst zeitlos zu werden. Also fassen wir uns an den Armen, wünschen uns selbst alles Gute und gehen weiter voran.

Müde und erschöpft, aber glücklich über diesen ersten und langen Tag der Weitblicke, der Sonne und Nebelspiele, die in uns ein Gemisch aus Ungläubigkeit und Entzücken hervorgeholt hat, erreichen wir schließlich das gut geführte Rifugio Don Barbera, wo wir ausgiebig zu Abend essen und unseren Tag langsam ausklingen lassen.
Tag 2: Rifugio Garelli (1970m)

Heute geht es rauf zum höchsten Punkt der Ligurischen Alpen, zur Cima del Marguareis auf 2651m. Es ist ein prachtvoll beginnender Tag mit viel Sonne und Heiterkeit. Unsere Schatten sind so wie die Berge – zeitlos und dunkel. Der Aufstieg zum Passo della Gaina auf 2440m ist leicht und beruhigend. Um den Aufstieg zur Cima Marguareis zu bewältigen haben wir eine technisch nicht ganz einwandfreie Stelle zu passieren. Auch das meistern wir alle gemeinsam. Aber der anfängliche Nebel wird dichter und zügelloser. Wir erreichen den Gipfel, aber es ist kalt und mit Nebel verdichtet.

Wir steigen an der Ostseite wieder ab und laufen zum Passo della Gaina zurück, um unsere Rucksäcke zu holen, die wir beim Aufstieg am Pass gelassen haben. Wir folgen dann, um auf den Wanderweg zu gelangen, der zur Porta Sestrera führt, einer längst verlorenen und nicht mehr markierten Route. Zumindest ist sie jetzt wieder markiert. Wir kommen nicht umhin die Berge in ihrer Einsamkeit zu bewundern für ihre Stärke und Kraft.

Es ist ein Moment der inneren Ruhe, der Schöpfung. Wir bilden eine Linie oder ein Band. Verloren in einer Zeit oder auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Wir haben uns hier zusammen gefunden und besiegeln unsere Freundschaft hier und jetzt, offener Geist, keine Vorbehalte, offenes Herz. Das ist alles.
Tag 3: Rifugio Mondovi (1760m)

Vom Rifugio Garelli steigen wir ab ins Gaudioline Tal. Es ist ein relativ langer Abstieg, der uns zur Gias Madonna (1600m), zugleich niedrigster Punkt der gesamten Tour, bringt. Wir durchwandern einen verwunschenen Wald, mit Nebel, der sich zwischen den Ästen und dem Holz schlängelt und seine Umgebung nieder zu drücken versucht. An der Gias Madonna sehen wir bereits unsere aufsteigende Streckenführung, die uns zur Gias Soprano führt. Der Nebel verzieht sich und wir erleben sonnige und mit Licht erfüllte Momente, die aber nicht lange währen, denn nach noch dichterem Nebel sehen wir uns gezwungen inne zu halten, denn schwer ist jetzt die Orientierung.

Wir finden die richtige Streckenführung und erreichen den unscheinbar wirkenden Passo Pellerina auf 2098m, von wo wir einen wunderschönen Blick ins große Ellero Tal haben. Ab jetzt geht es im lockeren Abstieg nach unten auf einen breiten Wanderweg, der uns schließlich zum Rifugio Mondovi bringt.
Tag 4: Rifugio Mongioie

Auf zum letzten Berg, dem Mongioie. Nach einer Stunde leichtem Aufstieg erreichen wir den Abzweig, der uns entweder die lange Tour zum Mongioie wählen lässt oder die, die über den genialen Salinapass führt. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. In der Mitte des Aufstiegs erreichen wir eine sonnenüberflutete Ebene, die uns zum Stehenbleiben einlädt.

Den Pass haben wir nach einer weiteren lockeren Stunde erreicht. Von hier haben wir einen genialen Blick auf die Cima delle Saline (2612m). Den Mongioie können wir von hier noch nicht sehen. Wir befinden uns noch nicht auf Höhe.

Wir setzen unseren Weg über einen wunderschönen Bergkamm fort und erreichen nach einer weiteren Stunde die Cima di Pian Comune (2400m), wo sich gleichzeitig eine breite Ebene erstreckt. Wir erreichen bald die Cima delle Colme Est, gehen nicht rauf, nur an ihr vorbei und erreichen den Abzweig, der uns auf den letzten Abschnitt zum Erreichen des Mongioie führt. Auch hier wieder das Phänomen, das sich uns den letzten Tagen immer wieder gezeigt hat. Morgendliche Trockenheit, mit viel Sonne und ausgeglichenen Bedingungen und nachmittags Nebelschleier, phasenweise ganze Bündel von Fasern, verbunden mit tiefstehenden Wolken, die Sicht nach oben getrübt. Aber wer soll uns denn schon aus der Ruhe bringen, angesichts dieser Naturphänomene, die sich da über unseren Köpfen abspielt. Der Nebel in den Bergen wirkt einfach anders auf unser Gemüt. Er ist frei von Stimmen und Lauten, vielmehr trägt er zu uns die vielen Seelen der Berge.

Wir wagen den Aufstieg und holen nochmals alle unsere verbliebenen Kräfte zum Vorschein. Der Aufstieg, stetig und mit dem Gewinnen an Höhe, langsamer und duldsamer. Schließlich erreichen wir den Mongioie und erfreuen uns unserer geleisteten Mühen. Wir haben es geschafft! Nach 3 Tagen Wanderschaft, hinter uns liegt der Marguareis und wir befinden uns abermals auf über 2600m, bei widrigen Bedingungen. Und wer bisher glaubt, alle Mühen sind geschafft, der wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Abstieg mindestens genauso schwierig sein wird.

Aber mal ehrlich, wer hat denn jemals eine Gruppe gesehen, die sich gegenseitig nicht zu motivieren wusste. Schön sind meine Erinnerungen an die Cima Marguareis und liebevoll sind meine Erinnerungen an die Besteigung des Mongioie. Allein der Name ist Programm. Und wenn da nicht die Bronzestatue von der Madonna stünde, dann würde ich den Mongioie nicht weniger lieben, ein aus Stein und Materie umfangreiches Gebilde, dass seinen Platz in dieser Umgebung irgendwie gefunden hat und das uns Wanderern etwas mitgibt, von dem wir lange schöpfen werden. Energie. Lautlose und kraftvolle Energie. Energetisch. Kraftvoll. Noch lange werden unsere Körper gestrafft sein, unsere Körper danach riechen, noch lange werden unsere Augen dies wieder spiegeln, diese kraftvolle Energie, ganz im Zeichen des Widder.
Tag 5 – Rifugio Porta del Sole

Unser letzter Wandertag. Heute gehen wir unter den Berg. Eine Höhlentour, die wir zusammen mit einem einheimischen Bergführer unternehmen. Im Gebiet zwischen der Punta Marguareis und dem Mongioie gibt es zahlreiche Karsthöhlen unterschiedlicher Größe, die seit den 1950er Jahren von Höhlengehern aus ganz Europa erforscht werden.

Es war letztlich eine super Erfahrung für alle von uns. Etwas in dieser Art haben wir womöglich gar nicht erwartet. Es war eine unterirdische Bergtour mit Abseilen und Aufstieg im Seil. Das Erreichen des unterirdischen Höhlensees war schließlich die sogenannte ‚ciliegina sulla torta‘. Als wir nach 2 Stunden das Tageslicht wieder erblicken, sehen wir uns in der Freude anzuerkennen, dass wir eine Tour in dieser Art uns nicht abenteuerlicher hätten wünschen können.

Wir verabschieden uns von unserem Bergführer und folgen unserer ursprünglich eingeschlagenen Route bis nach Carnino superiore und carnino interiore, zwei fast verlassene Bergorte. Traurig ist die Stimmung in den Gassen dieser einst blühenden Dörfern. Es gilt noch einen Pass zu erreichen, für den wir aber einen fast 500m recht steilen Aufstieg zu bewältigen haben. Im Wald von Carnino ist es dunkel und feucht, aber vor allem ruhig, so als ob die Vögel diesen einsamen Ort ebenfalls verlassen haben. Wie erreichen schließlich den Pass Lagarè auf 1750m. Unser letzter Pass. Ein bisschen weiter und wir befinden uns auf einer großen Ebene, von wo wir auch Upega sehen.
Tag 6: Rückreise nach Turin

Wie alles im Leben geht auch diese Reise zu Ende. Wir blicken aber nicht zurück. Alles ist bereits hier bei uns und wir nehmen es mit, es ist frisch geboren und es braucht Zeit, bis es in uns heranwächst. Es sind diese Momente des Alleinseins, die in uns verwirrende Freude aufkommen lassen, aber wir sind bereit für alles, nur um diesen Moment noch weiter auskosten zu können. Der Wanderer hat kein Ziel. Ein erreichter Gipfel ist immer nur ein Zwischenziel. So wie der ‚Wanderer über das Nebelmeer‘, dessen Blicke wir nicht sehen, nur erahnen können, schweifen auch unsere in alle Richtungen, aber sie beinhalten keine Wertung oder Deutung, sie sind einfach nur Blicke, gefüllt mit Liebe für uns selbst und Achtung für unsere Umgebung.
Danke an alle Teilnehmer!